Das österreichische Bundesheer sorgt derzeit für Schlagzeilen. Auf der einen Seite gibt es General Robert Brieger. Der Vorsitzende des Militärausschusses der Europäischen Union gerät nach einem Posting bei einem Holocaust-Leugner unter Druck und in Erklärungsnotstand. Und auf der anderen Seite steht bereits seit vielen Monaten Markus Reisner.

Oberst Markus Reisner war zu Gast in der "ZiB 2".
Screenshot/ORFTVThek

Der Offizier und Historiker ist seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine international gefragter Experte, dessen Analysen stets am Punkt sind und nichts an Klarheit vermissen lassen. Reisner war am Mittwoch zu Gast in der ZiB 2 bei Armin Wolf, um über die Lage in der Ukraine zu sprechen.

Das von den USA auf den Weg gebrachte 61 Milliarden Dollar schwere Militärpaket habe für die Ukraine eine enorme Bedeutung, sagte Reisner. Russland verfüge in diesem "Abnützungskrieg" über einen klaren Ressourcenvorteil. Und über "kurz oder lang" sei es zu befürchten, dass die nächste Sommeroffensive der Russen losbreche.

"Zweierlei Maß"

Als der Iran kürzlich Israel angegriffen habe, wurden 99 Prozent der iranischen Raketen und Drohen abgeschossen. "Warum gibt es nicht auch die gleiche Unterstützung für die Ukraine?", fragt Armin Wolf. Reisner konstatiert "völkerrechtliche Absichten" der USA, die das verhindern würden. Das Land sei zwar daran interessiert, die Ukraine zu unterstützen, aber nur in dem Ausmaß, dass es nicht zu einer kompletten Eskalation mit Russland komme. "Man misst hier mit zweierlei Maß", bedauert Reisner: Man könne nur hoffen, dass es in den nächsten Hilfspaketen der USA zu Lieferungen komme, die die Ukraine "wirklich in die Lage versetzen, sich verteidigen zu können".

Lage "schöngeredet"

Wolf spricht Reisner auf ein Interview an, das der Offizier kürzlich der Zeit gegeben hat. Dort sagte er: "Wir haben uns die Lage in der Ukraine von Anfang an schöngeredet." Reisner führt aus, was er damit meint: "Man hat angenommen, dass das, was man tut, ausreicht, aber man hat die Ukraine eigentlich faktisch aus der Westentasche unterstützt, und jetzt rächt sich genau das." Der "Kulminationspunkt" sei gekommen, an dem sich die Frage stelle, wie die Ukraine als Staat weiter existiere. "Wir haben das faktisch in den Händen", so Reisner, der kein Hehl daraus macht, dass er sich mehr militärische Unterstützung für das Land wünscht.

Demografie spricht für Russland

Reisner bringt auch einmal mehr den Zeitfaktor ins Spiel und die Kriegsressource Mensch. Während Russland knapp 150 Millionen Einwohner habe, gehe man davon aus, dass sich derzeit noch 33 Millionen Menschen in der Ukraine mit "entsprechendem Wehrpotenzial" befinden. "Auf der Zeitachse spricht das natürlich nicht für die Ukraine." Wenn es bei den Waffenlieferungen zu Verzögerungen komme, dann schlage die Demografie zu, so Reisner.

Wie es in der Ukraine weitergeht, lasse sich nicht genau sagen, so Reisner. Er skizziert drei Szenarien, es gebe aber zu viele Unbekannte, etwa die US-Wahl im November 2024, um den weiteren Kriegsverlauf zu prognostizieren. Nur so viel: Aus jetziger Sicht könne man davon ausgehen, dass es die Ukraine schaffe, sich auf die erwartete Sommeroffensive der Russen vorzubereiten. Sollte die militärische Unterstützung aber nicht ausreichen, könnte es aber bereits vor den US-Wahlen zu einem Durchbruch Russlands kommen. Mehr Mahnung geht nicht. (Oliver Mark, 25.4.2024)