"Scrubs – Die Anfänger" mit Donald Faison (Chris Turk, links) und Zach Braff (John "J. D." Dorian).
ORF/Disney/Justin Lubin

Als Elfjähriger habe ich mir einmal den Arm gebrochen und mich gefreut. Endlich durfte ich auch einmal eines dieser Krankenhäuser von innen erleben – aber ich wurde wirklich enttäuscht. Dort gab es nämlich gar keinen namenlosen Hausmeister, der den Ärztinnen und Ärzten Streiche spielte. Die Belegschaft fand sich nicht zu spontanen Musical-Einlagen zusammen. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte auch niemand Sex in der Besenkammer. Echte Krankenhäuser sind gar nicht besonders lustig. Eine Erkenntnis, die fast schmerzvoller war als der doppelte Ellen- und Speichenbruch.

Die wichtigsten Sachen in meinem Leben waren 2008 folgende: einen Kickflip auf dem Skateboard zu landen, vom Dreimeterbrett im Schwimmbad den Rückwärtssalto zu machen und so viel fernzusehen wie maximal möglich. Weil fernzusehen, das war ganz prinzipiell schon einmal besser als nicht fernzusehen. Glücklicherweise war das innovative Programm des ORF damals genau nach meinem Geschmack. Immer wenn ich von der Schule nach Hause kam, liefen Malcolm mittendrin, Two and a Half Men (das vom ORF Mein cooler Onkel Charlie genannt wurde) und Scrubs in Dauerschleife. Dann kamen auch noch Wiederholungen, und wenn ich von Scrubs noch nicht genug hatte, schaltete ich auf ProSieben um, wo auch Scrubs lief. Was für perfekte Nachmittage das doch waren.

Die Anfänger

Nach so vielen Jahren den ersten Arbeitstag des Assistenzarztes John Dorian noch einmal zu erleben fühlt sich an, wie nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder nach Hause zu kommen und ein Schnitzel zu essen. Man kennt das halt. Man mag es. Scrubs war in der damaligen Sitcom-Landschaft aber auch wirklich etwas Besonderes. Da gab es keine anstrengenden Lachkonserven, die einem sagten, wann man zu lachen hat. Man lachte, wenn man etwas wirklich lustig fand. Die surrealen Tagträumereien von J. D. und seine ängstliche Off-Stimme, die uns durch den absurden Krankenhausalltag führt – das war wirklich lustig.

Hauptdarsteller Zach Braff war der Archetyp des sensiblen, ängstlichen Mannes. Als Identifikationsfigur stach er neben den rauchenden, trinkenden und Frauen flachlegenden Charlie Harpers und Barney Stinsons dieser Periode des Unterhaltungsfernsehens heraus. Statt Bier bestellte J. D. Appletini mit Schuss – aber nur ein Schüsschen. Er war ein Arzt, der sich in der Besenkammer versteckte, weil er sich nicht traute, einen Patienten zu reanimieren. Heimlich bittet er am Anfang noch die Krankenpflegerinnen, Spritzen zu setzen. So ein Arzt wäre ich wohl auch geworden. Aber vermutlich bin ich deswegen keiner geworden.

Man hat die Charaktere lieb

Obwohl auch die anderen Charaktere gewisse Stereotype erfüllen, sind sie dafür ungewohnt menschlich. Da gibt es noch die motivierte junge Ärztin Elliot Reid, der aber das Selbstwertgefühl fehlt. Über mehrere Staffeln zieht sich eine "Will they or won't they"-Geschichte zwischen ihr und J. D. hinweg, die weit weniger nervig ist als das, was Ross und Rachel in Friends machen. Am Ende freut man sich wirklich, wenn sie endlich zusammenkommen. Dann gibt es noch den schwarzen Chirurgen Chris Turk, der schon seit dem College der beste Freund von J. D. ist. Er heiratet später die Krankenpflegerin Carla Espinosa, die den Neulingen im Krankenhaus am Anfang zeigt, wie man zurechtkommt. Am wichtigsten – zumindest für J. D. – wird aber der zynische Oberarzt Dr. Cox, in dem er so etwas wie seinen Mentor sieht.

Dieser unnahbare, kühle Vorgesetzte bringt seinem jungen Kollegen auf eine nicht immer ganz schmerzfreie Weise bei, dass er sich nicht schuldig fühlen muss, wenn er den Tod eines Patienten nicht mehr hätte verhindern können. Am emotionalsten sind aber die Momente, in denen sich diese Rollen umdrehen – und J. D. seinen Helden Dr. Cox an das erinnern muss, was er von ihm gelernt hat. Die Episode Meine Schuld aus der dritten Staffel, in der Dr. Cox erst am Ende realisiert, dass sein leukämiekranker Schwager Ben (großartig gespielt vom sowieso immer großartigen Brendan Fraser) am Anfang der Folge bereits gestorben ist, löst noch heute Gänsehaut aus. Das gilt auch für die Episode Mein Mittagessen mit Cox, in der Dr. Cox, ohne es zu wissen, seinen drei Patienten mit Tollwut infizierte Organe transplantiert. Sie sterben alle, und der sonst so harte Doktor überlegt, alles hinzuschmeißen. Dass man eine Sekunde vor oder nach solchen Momenten trotzdem herzhaft lachen muss, ist ein schwieriges Kunststück. Keine andere Sitcom balanciert auf dieser schmalen Linie so virtuos wie Scrubs.

John C. McGinley (Dr. Perry Cox) und Zach Braff (John "J. D." Dorian).
ORF/Disney/Dean Hendler

Emotionale Zeitkapsel

Weniger gut funktionieren beim erneuten Schauen Sachen, die vielleicht gar nie besonders lustig waren. Dass Dr. Cox den Protagonisten J. D. stets mit Frauennamen anspricht, ist nur Humor, wenn man längst überholten Konzepten von Männlichkeit anhängt. Auf den perversen Chirurgen Todd, der in einer Episode den Krankenhausrekord in Beschwerden wegen sexueller Belästigung aufstellt, könnte die Serie genauso gut verzichten. Wirklich nicht mehr zeitgemäß ist aber, wie mit dem depressiven Krankenhausanwalt Ted umgegangen wird. Dass jemand an der Spitze eines Daches steht und sich hinunterstürzen will, kann gar keine funktionierende Pointe sein.

Zurückzukommen fühlt sich trotzdem an wie eine warme Umarmung von einer Person, die einem wirklich wichtig ist. Zusätzlich ist Scrubs aber auch ein Zeitdokument. Ein Portal in eine gar nicht lange vergangene Zeit voller gebrannter CDs und dem Windows-XP-Bildschirmschoner mit den 3D-Rohren. Der behutsam ausgewählte Soundtrack von Scrubs katapultiert einen dorthin zurück. Zum Beispiel, wenn J. D. und Elliot sich wieder einmal versöhnen, während Dreaming of You von The Coral im Hintergrund läuft. Oder How To Save a Life von The Fray – in der Szene, in der die Patienten von Dr. Cox sterben. Und gibt es eigentlich einen besseren Song für ein Finale als Peter Gabriels Book of Love, als J. D. das Krankenhaus verlässt?

Ja, an dieser Stelle endet die Serie. Dass es danach noch eine neunte Staffel gab, sollte man beim erneuten Schauen einfach ignorieren. (Jakob Thaller, 4.5.2024)